Solange wir Kinder nicht ganzheitlich betrachten, können wir ihn auch nicht wirklich helfen
Liebe Mami, lieber Papi!
Eines Tages suchte mich in der Praxis eine Mutter auf, deren Sohn unter starken Ohrenschmerzen litt. In einem Nebensatz erwähnte sie beiläufig, dass er seit einem Jahr aufgrund von ADHS Ritalin verschrieben bekam. Wir versorgten seine Ohrenschmerzen, aber das reichte mir nicht.
Ich hatte mir vorgenommen, die Vorgeschichte des Kindes etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, da ich die Familie und das Kind bis zu diesem Zeitpunkt nicht kannte, machten wir einen neuen gemeinsamen Termin aus, um seinem Label ‚ADHS‘ genauer nachzugehen. In diesem Gespräch sagte die Mama:
Er sei schon seit Jahren eine furchtbare Belastung für die Familie und auch für die Lehrer gewesen. Das Ritalin habe ihn etwas ruhiger gestellt, er sei damit selbst wieder zufriedener und deutlich entspannter geworden. Dies habe natürlichen einen guten Einfluss auf seine Beziehungen zu seiner Familie, Lehrerin und Mitschülern/Innen.
Mit dem Einverständnis der Mama durfte ich etwas tiefer in die persönliche Vorgeschichte des Jungen und in die Familiengeschichte eintauchen. Das 2- stündige Gespräch endete mit vielen Tränen, langen Umarmungen und erschöpfter Stille. Gleichzeitig war da ein Funken Hoffnung, denn wir alle hatten nach diesem emotionalen Gespräch das Gefühl, dass wir auf etwas gestoßen waren: Eine Ursache für die vermeintliche ADHS-Diagnose.
Wir haben ein für das Kind potenziell traumatisches Erlebnis aufgedeckt – ein Erlebnis das alle involvierten Erwachsenen als harmlos abgetan haben. Traumatische Folgestörungen können sich ebenfalls als ADHS manifestieren.
Ja mit Ritalin wurden die Symptome des armen Jungen erfolgreich abgeschaltet, er war damit wieder sozialtauglich, zeigte gesellschaftlich akzeptables Verhalten und war zuhause natürlich deutlich besser zu ertragen (das ist kein Vorwurf an die Eltern, es ist aber durchaus ein Vorwurf an unser System).
Aber was war mit seinen Wunden, die sich nach Heilung sehnten? Was war mit seinen traumatisch bedingtem, dysreguliertem Nervensystem, das nicht mehr zur Ruhe finden konnte? Wie geht er jetzt mit seiner inneren Anspannung und seinem traumatisch bedingten inneren Stress um, jetzt wo die Verhaltensweisen, die vorher auf seine inneren Verletzungen aufmerksam machen wollten, mit Ritalin ausgeschalten wurden?
Die Wunde war noch da, auch wenn sie für seine Mitmenschen nicht mehr offensichtlich war.
Der Junge begann noch im gleichen Jahr eine Traumatherapie und konnte das Ritalin darunter übrigens beenden. Außerdem sagte er ‚ich wusste gar nicht, dass ich mich so fühlen kann‘. Die Verbundenheit des Kindes zu sich selbst, die Verbundenheit innerhalb der Familie konnte wieder hergestellt werden.
Warum ich das erzähle?
NICHT weil ich gegen die medikamentöse Therapie von ADHS bin. Ich finde fast jedes Medikament hat seine Berechtigung. ABER wie kann es sein, dass so viele Kinder mit Ritalin behandelt werden, bei denen noch niemand an z.B. ein Problem in der der Eltern-Kind-Bindung gedacht hat oder an ein Trauma? Das ist mein Problem: dass wir doch so häufig noch Symptome behandeln, anstatt nach Ursachen zu suchen (hier übrigens ganz vorne: schlechte Ernährung!).
Wir werden vermutlich niemals die Ursache aller Krankheiten (oder jedes ‚auffälligen Verhaltens‘) finden. Aber solange wir nicht versuchen, Kinder und Familien ganzheitlich zu sehen, können wir ihnen auch nicht WIRKLICH helfen. Vielleicht schaden wir ihnen sogar, indem wir die Hilferufe des kindlichen Körpers, der kindlichen Seele, einfach abschalten und Eltern weiterhin vermitteln, dass es normal ist, dass Elternschaft furchtbar stressig ist. NEIN. Chronischer Stress sollte nicht normal sein!
Hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass hinter dem Verhalten deines Kindes irgendeine Verletzung schlummert?
Deine Désirée
Anmerkung: Die Informationen in diesem Beitrag dienen ausschließlich zur allgemeinen Information und ersetzen niemals die Beratung durch einen Arzt oder durch andere Heilberufe. Die Informationen dienen nicht dazu, eine Selbstdiagnose zu stellen. Außerdem stellen die Informationen keine Empfehlung oder Bewerbung der beschriebenen Behandlungen oder Arzneimittel dar. Konsultier bei gesundheitlichen Fragen oder Beschwerden immer einen Arzt.
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